Holz, Pollen und das Klima der Eiszeit

Sie sieht aus wie eine normale Holzscheibe, ist es aber nicht: Denn dieses Stück gehörte einst zu einer Wasserleitung in Stralsund. Das war im 18. Jahrhundert, genauer gesagt 1747. Aus dieser Zeit stammt das Objekt, das jetzt im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen ausgestellt ist.

Durch das Loch in der Mitte der Holzscheibe lief einst das Wasser. Foto: Uni Göttingen

Geschichte im Holz

Archäolog*innen haben den dazugehörigen Baumstamm gefunden. Sie brachten ihn zu uns, um anhand der Ringe das Alter bestimmen zu lassen. Ausschlaggebend sind Breite und Abfolge der Ringe, die an der Baumscheibe gut zu erkennen sind. Diese Methode nennt sich Dendrochronologie (altgriechisch: Dendron = Baum, Chronos = Zeit). Mittlerweile haben wir ein Archiv mit über 20.000 Hölzern, alle aufs Jahr genau datiert. Sie ermöglichen es uns, andere Funde historisch einzuordnen.

Dr. Jörg Christiansen am Sammlungsschaufenster im Forum Wissen. Foto: Uni Göttingen

Fluch und Segen

Doch es gibt noch weitere Sammlungen in der Abteilung für Palynologie und Klimadynamik: Unter anderem eine mit Pollen und Sporen sowie eine mit Makroresten, wie Samen und Früchte. Das ist für uns wichtiges Vergleichsmaterial, durch das wir Aussagen über die Geschichte von Vegetation und Klima treffen können. Der unscheinbare Stein im Sammlungsschaufenster ist ein Beispiel dafür (siehe erstes Bild ganz oben). Er stammt vom Ufer einer Talsperre in den Vogesen. Auf ihm könnt ihr sehen, was sonst unsichtbar bleibt: Millionen von Pollenkörnern angeschwemmt durch Regen und dann auf dem Stein eingetrocknet.

Was für Allergiker*innen ein Fluch, ist für Palynolog*innen ein Segen: Jedes Jahr fliegen unzählige Pollenkörner durch die Luft. Geraten sie unter Luftabschluss – zum Beispiel am Boden eines Sees – können sie über Jahrtausende erhalten bleiben. Ähnlich wie die Ringe bei den Bäumen bildet sich jedes Jahr eine neue Schicht am Grunde des Sees. Ändert sich nun die Vegetation, ändert sich auch das Pollenspektrum. Nehmen wir dann einen Bohrkern aus dem See, dann verraten die Pollen, welche Pflanzen die Menschen einst anbauten oder was sie aßen. Daher wissen wir auch, dass sich nach der letzten Eiszeit in der Region um Göttingen die Vegetation stetig verändert hat. Auf Birken- und  Kiefernwälder folgten Eichenmischwälder und letztendlich Buchenwälder. Diese wurden aber zum größten Teil vom Menschen gerodet, um Ackerbau zu betreiben.

Das Mikroskop (1965) ermöglicht einen dreidimensionalen Blick. Foto: Martin Liebetruth

Sehen und verstehen

Mit dem bloßen Auge sind die Pollen nicht zu erkennen. Daher gehört das Mikroskop zum wichtigsten Equipment der Palynolog*innen. Wir präparieren die Pollen, bestimmen sie und haben auf diese Weise eine umfangreiche Datenbank angelegt. Einige der Präparate könnt ihr neben dem Mikroskop sehen – darunter auch „Astrantia minor“. Die kleine Sterndolde ist in den Wäldern Europas und Asiens zu Hause, blüht aber auch auf Alpenwiesen.

Präparate im Sammlungsschaufenster des Forum Wissen. Foto: Martin Liebetruth

Wenn ihr noch ein wenig weitersucht, findet ihr auch „Aegopodium podagraria“. Das kennt ihr sicher: Es ist ein lästiges Unkraut, bekannt als Gemeiner Giersch. Den lasse ich gern die Studierenden untersuchen. Danach können sie sich nämlich das Original im benachbarten Alten Botanischen Garten ansehen. Hier am Eingang zur Wilhelm-Weber-Straße forschen und lehren wir. Falls ihr einen Einblick davon bekommen wollt, dann kommt am besten zum Sammlungsschaufenster im Forum Wissen.

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